Probleme in der Fleischindustrie – Brennpunkt Wildeshausen

Wieso ist ein vegetarischer Lebensstil vorteilhaft? Ist es wirklich so schwierig, auf Fleisch zu verzichten und welche Alternativen gibt es? Fragen wie diese habe ich bereits in meinem Artikel „Vegetarisch leben – für den Trend oder für das Tier?“ behandelt. Dabei bin ich auch auf die bekannten Probleme der Massentierhaltung eingegangen, die eng mit unserem Fleischkonsum verbunden sind. 700 Kilogramm Kohlenstoffdioxid kann eine vierköpfige Familie beispielsweise einsparen, wenn sie langfristig einmal pro Woche auf Fleisch verzichtet. Die direkte Verbindung zwischen Klimawandel und übermäßigem Fleisch- und Fischkonsum ist damit unübersehbar. Was allerdings lange unklar war: Viele weitere Probleme, die immer weit entfernt erschienen, befinden sich in Wirklichkeit direkt vor unserer Nase – im Brennpunkt Wildeshausen.

Von der Schlachtung bis zur Zerlegung wird das Tier in der Fleischindustrie verarbeitet. Große Unternehmen wie Tönnies oder Wiesenhof haben dabei viele verschiedene Abteilungen, in denen die Arbeiter auf bestimmte Arbeitsschritte spezialisiert sind. Doch wer sind diese Arbeitskräfte?

Viele der als geringqualifiziert geltenen Arbeitskräfte stammen aus ärmeren osteuropäischen Ländern, wie zum Beispiel Polen oder Rumänien, und sind in Deutschland bei Subunternehmen angestellt. Die Großunternehmen geben damit sowohl die Verantwortung für die Entlohnung als auch die Verantwortung für die Arbeitskräfte ab. Während diese nun unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, profitieren die Unternehmen.

Die Arbeitskräfte in der Fleischindustrie wissen meist nicht über ihre Rechte Bescheid. Durch das Abziehen der Kosten für Ausrüstung und Instrumente erhalten sie keinen Mindestlohn. Zusätzlich haben sie überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten und keine angemessenen Unterkünfte, während ihnen gleichzeitig, zum Beispiel bei Krankheit, direkte Kündigungen drohen. Letzteres ist unter anderem ein Grund für diverse Coronafälle in der Fleischindustrie, auch bei der Firma Geestland in Wildeshausen. Beispielsweise wurden im Sommer 2020 innerhalb eines Tages 23 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet.

Der in Rechterfeld geborene Pfarrer Peter Kossen gilt als bekannter Kritiker der Fleischindustrie. Im Gespräch mit Arbeitsmigranten und deren juristischen und medizinischen Beratern deckte er bereits diverse Misshandlungen und Ausbeutungen dieser „modernen Sklaverei“ auf. Während seines Protestes für bessere Arbeitsbedingungen setzte er sich beispielsweise für Coronaimpfungen für Arbeitskräfte ein. In Nordrhein-Westfalen wurde er aufgrund seiens Engagements mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet.

Menschenwürde fordert Kossen – etwas, das in den Menschenrechten längst verankert ist. Sie gelten seit siebzig Jahren als Leitlinie sozialer Gerechtigkeit, welche nur mithilfe der nötigen Sensibilität in Öffentlichkeit und Politik gewährleistet werden kann. Kossen sieht hier zwar einen Fortschritt, betont aber auch, wie viele Menschenrechtsverletzungen versteckt bleiben. Aufmerksamkeit und Kontrollen bleiben somit weiterhin essentiell, um Arbeitsschutz für Leiharbeiter zu gewährleisten.

Und was können wir als Konsumenten tun? Einen direkten Einfluss auf die Großunternehmen haben wir nicht. Trotzdem können wir zum Beispiel beim Kauf von Fleisch auf die Herkunft achten oder unseren Konsum etwas einschränken. Bereits kleine Veränderungen in unserem Essverhalten können dabei helfen, der sozialen Gerechtigkeit einen Schritt näher zu kommen und Aufmerksamkeit auf den Brennpunkt Wildeshausen zu richten.